Warum sehen alle Chinesen gleich aus? Ethnische Vorurteile und der Cross Race Effekt

24.11.2018
sieht alles gleich aus?
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Ethnische Vorurteile und der Cross-Race Effekt


Haben Sie noch nie jemanden sagen gehört: "Alle Schwarzen sehen sich ähnlich" oder: "Es ist schwierig, zwei Chinesen auseinanderzuhalten"?

Studien haben gezeigt, dass tatsächlich zahlreiche Menschen Gesichter ihrer eigenen ethnischen Gruppe leichter erkennen als Gesichter aus anderen Kulturen. Diesen Mechanismus bezeich- neten Forscher als Cross-Race Effekt (Malpass & Kravitz, 1969). 

Woher rührt dieses Phänomen? Ist es möglich, dass Angehörige bestimmter Gruppen tatsächlich schwieriger zu unterscheiden sind als andere, weil sich ihre Züge objektiv ähneln? Eine Untersuchung von Py und Burdairon (2002) lässt eine Antwort auf diese Frage zu.

In dem Glauben, Erhebungsbögen zu verschiedenen Themen auszufüllen, beantworteten 112 Studenten einen Fragebogen, der ihre Vorurteile gegen Farbige erfasste.

Der Bogen enthielt eine Reihe von Items oder Fragen nach der Zustimmung zu Aussagen wie: "Das Verhalten bestimmter Schwarzer kann rassistische Reaktionen rechtfertigen", "Ehen zwischen Weißen und Schwarzen sind häufig zum Scheitern verurteilt", "Es ist normal, dass ein Firmenchef für bestimmte Stellen lieber einen Weißen als einen Schwarzen einstellt", "Ich habe nichts gegen eine schwarze Familie als Nachbarn" etc.

Die Befragten markierten ihre Antwort auf einer Skala von "stimme überhaupt nicht zu" bis "stimme vollkommen zu". Aufgrund der Ergebnisse dieser Befragung konnten die Forscher ihre Probanden in zwei Gruppen einteilen: eine recht vorurteilsfreie und eine mit sehr ausgeprägten Vorurteilen gegen Schwarze.

Nach dem Ausfüllen des Fragebogens musste sich jeder Teilnehmer in einen Raum begeben und vor einem Computer Platz nehmen. Man erklärte ihm, es ginge um Gesichtsererkennung. Das Experiment begann mit der Darbietung von 30 Porträtfotos männlicher Afrikaner und Europäer, alle mit kurzem Haar und ohne besondere Kennzeichen (keine Brille, kein Bart, kein Schmuck). Jedes Gesicht erschien jeweils für zwei Sekunden. Anschließend sah die Versuchsperson 60 Fotos und sollte darunter diejenigen wieder erkennen, die sie zuvor gesehen hatte.

Wie die Ergebnisse dieses Experiments zeigten, erkannten die vorurteilsbehafteten Probanden die Gesichter weniger gut wieder als die vorurteilsfreien. Letztere erkannten die weißen Gesichter genauso sicher wieder wie die schwarzen.


Fazit

Der Cross-Race-Effekt macht allem Anschein nach den sichtbaren Teil unserer Vorurteile gegen andere Kulturen aus. Eine Maßnahme zur Verringerung dieser Vorurteile besteht darin, die Zahl der Kontakte zu anderen Gruppen zu erhöhen (Wilder, 1986). In der Folge müsste sich auch der Cross-Race Effekt abschwächen. Dafür sprechen übrigens bestimmte Studien: Je mehr Kontakte zu anderen ethnischen Gruppen bestehen, desto leichter erkennen Menschen die Gesichter dieser Gruppe wieder (Brigham & Malpass, 1985). 


Quelle:

Brigham, J. C. & Malpass, R. S. (1985). The role of experience and contact in the recognition of faces own- and other-race persons. Journal of Social Issues, 41, 139-155.

Malpass, J. S. & Kravitz, J. (1969). Recognition for faces of own and the other "race". Journal of Personality and Social Psychology, 13, 330-335.

Py, J. & Burdairon, N. (2002). L'effet de l'appartenance ethnique dans la reconnaissance des visages: De nouveaux arguments pour une perspec- tive psychosociale. Nouvelle Revue de Psychologie Sociale, 1, 72-77.

Wilder, D. A. (1986). Cognitive factors affecting the success of intergroup contact. In: Worchel, S. & Austin, W. G. (Hrsg.). Psychology of Inter- group Relations. Chicago: Nelson-Hall, 49-66.